Zur Geschichte des Mecklenburger Alphorns und eine grundlegende Frage des NDR:
"Die Alphornbläser aus Witzin"
NDR-Sendung: "Mein Nachmittag" - 15.10.2015 16:10 Uhr
"Das Alphorn gehört in die Alpen? Darüber kann Baldur Beyer aus Witzin nur schmunzeln. Er baut die Blasinstrumente nicht nur selber, sondern beherrscht sie auch virtuos."
Der historische Nachweis wurde durch den Schriftsteller Fritz Reuter erbracht, dass das Alphorn auch in Mecklenburg seine Heimat hat!
Deckblatt zum Alphornbuch, Zweite Ausgabe
Werkstattsymbol
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Geschichtliches:
"Wer kommt auf die Idee,
in Mecklenburg ein Alphorn zu blasen,
geschweige denn, nicht nur eins, sondern gleich sechs (sieben) selber zu bauen?"
Diese Frage höre ich immer wieder bei Vorträgen oder Präsentationen
Ich hatte 15 Jahre Zeit, mich mit der Geschichte des Alphorns, meinen Kindheitserinnerungen an Masuren und den Beziehungen zum Alphornbau, sowie seinem einmaligen Klang, theoretisch und praktisch auseinanderzusetzen.
Weitere Impulse zum Bau eines nordischen Alphornes gaben mir ehemalige Witziner Klassenkameraden, heute in der Schweiz oder im Saarland wohnend und besondere Begebenheiten.
Prägend war aber die Erinnerungen an den Bau und den Klang einer masurischen Holztrompete meines Großvaters in Ostpreußen vor 70 Jahren.
Der geschichtliche Weg zum Alphorn an der Küste:
Im Norden bestimmten vorzeitlich die imposanten Luren die kultische Klangwelt. Sie existierten bereits vor 4000 Jahren vorwiegend im Norden Europas auch als Kult- und Kriegstrompete. Sie waren zwischen 1,5 bis 2 Meter lang, S-förmig geschwungen, aus Bronze hergestellt und mit einem Schallbecher ausgerüstet. Sie hatten einen edlen Klang.
Funde aus Norddeutschland, Norwegen, Südschweden , Litauen und Masuren beweisen, dass sie die Vorbilder von Cornu, Tuba und Lituus sind und sogar von den Römern übernommen wurden.
Erster Hinweis: Masuren, 11./12. Jahrhndert
Im masurischen Posilge zeigt heute noch eine wundervolle Freske aus dem 11./12.- Jahrhundert einen Hirten mit einem Krummhorn, dem heutigen Alphorn sehr ähnlich.
Aus "Masuren", Ernst-Otto Luthardt, Strütz-Verlag
Zweiter Hinweis: Mecklenburg, 10./11/ Jahrhundert
Bei Parchim fanden Archäologen ein Holzhorn aus dem 11/12 Jahrhundert. Es ist eines der drei wichtigsten altertümlichen Funde im mecklenburgischen Raum überhaupt.
Bei den Fragmenten des historischen hölzernen Parchimer Hornes handelt es sich um ein aus drei Eschendauben zusammengesetztes Blasinstrument, das mit einem 2 cm breiten Birkenrindenstreifen umwickelt ist. Sie wurden also schon im 11. Jahrhundert als Hirten- oder Signalhörner in unseren Breiten genutzt.
Es gibt also eine Verbindung der alphornähnlichen Instrumente von Mecklenburg-Vorpommern nach Masuren, zur skandinavischen Lure, bis zum Alphorn der Schweiz, Österreich usw.
Ein letzter Beweisstein in dieser Kette konnte durch den Nachweis des Pechhorns, welches von Köhlern hergestellt und zwischen 1650 und 1865 auch sicher in MV geblasen wurde, eingereiht werden.
Somit können also die Luren, das Parchimer Blashorn und das Pechhorn zeitlich, baulich und klangmäßig als ein eigenes Bindeglied in Mecklenburg, zwischen den nordischen, östlichen, westlichen und südlichen europäischen Ländern angesehen werden.
Unsere Verantwortung für dieses Kulturgut
Daraus ergibt sich die Pflicht, das kulturelle Gedankengut des Mecklenburger Alphorns als Renaissance zu empfinden, zu verstehen und seine Tradition des Tones, den Bau- und die Spielweise aufzubewahren und weiterzuentwickeln.
Neben der Geschichte des Mecklenburger Alphorns gilt es darum, besonders die unterschiedlichen Bautechniken zu beschreiben und zu erhalten. Vor allem soll diesem Instrument endlich eine eigene Mecklenburger Alphornstimme in Form von eigenem Notenmaterial, nach historischen Vorbildern , gegeben werden. Denn, aus dem 11. Jahrhundert gibt es leider keine überlieferten Klangbilder oder gar notenähnliche Aufzeichnungen.
Dieses kann aber heute dem Charakter der Landschaft, wie auch den damaligen weihevollen Ritualen und gesellschaftlichen Höhepunkten zumindest ähnlich nachempfunden und aufbewahrt werden.
Aus diesem Grunde habe ich 15 Jahre regelrechte Erkundigungen (Forschungen), zum Mecklenburger Alphorn betrieben.
Ergebnis:
Neben der ersten Phase: Forschung
Der zweiten Phase: Historischer Nachbau
befindet sich das "Mecklenburger Alphorn" momentan in der dritten Phase:
Fertigstellung des Sachbuches, Vorstellung und Übergabe an den Landesheimatbund MV, an das Fritz-Reuter-Museum Stavenhagen, an die Stadt Stavenhagen, die Ehrenamtsstiftung MV, die Universität Rostock, den Landesarchäologien in Schwerin und Hameln, usw. = wurde 2016 erfüllt.
Weitere Stationen::
In Masuren wurden seit Jahrhunderten sognannte Holztrompeten in mühsamer Handarbeit hergestellt und von Männern, die eng mit der Natur verbunden waren, an Waldrändern von Hügeln oder am Ufer großer Seen, vorwiegend in friedlichen Zeiten am späten Abend melodisch-langsam geblasen. Aber auch bei Krieg, Waldbrand oder Seuchen und Pest waren die Töne des Hornes weithin als eine Warnung vor Gefahren zu vernehmen.
Und in unserem mecklenburgischen, nur 4 Kilometer entfernten Ort Lübzin, wurden 1835 bei Feldarbeiten zwei bronzene Luren der Periode IV, also vor über 3000 Jahren gefertigt und gebraucht, ausgepflügt.
Ein für die Geschichte des mecklenburgischen Alphorns einzigartiger Fund war also die oben erwähnte Holztrompete aus dem 11. Jahrhundert in Parchim-Loddigsee. Seine Geschichte lässt den berechtigten Vergleich zu meinen Erfahrungen mit einer ähnlichen Holztrompete in Masuren zu:
Meine Beziehung zur masurischen Holztrompete:
In den Jahren ab 1940 bis 1944 nahm mich mein Großvater, ein begnadeter Holzschnitzer, Muldenmacher und Fischer oft mit auf seinen Wegen in die Wälder Masurens. Nahe unseres Hauses in Rothebude, hatte er sich am Waldrand eine kleine illegale Schnapsbrennerei eingerichtet. Das war damals so üblich. Ich musste als Junge immer aufpassen, dass das Feuer gleichbleibend den Destillationsprozess der hauseigenen Brennerei aufrecht hielt, während Großvater seinen Arbeiten im Wald und auf den Wiesen am Waldrand nachging.
Um mir die Zeit zu vertreiben, baute er mir eine Holztrompete. Er nannte sie Rinden-Oboe, es war eine Ligawka.
Noch heute kann ich nach intensiven Vergleichen und Recherchen rekonstruieren, wie er dieses über 2 Meter lange Hozblasinstrument, nur mit einem Taschenmesser als Werkzeug baute. Immer, wenn mit dem Brennvorgang etwas nicht in Ordnung war, sollte ich auf diesem Instrument blasen. Dann kam er sofort herangeeilt, um nach dem Rechten zu sehen..
Die weichen und harmonisch-klingenden Töne sind mir neben anderen leider unliebsamen Begebenheiten folgender Kriegsjahre in Erinnerung geblieben.
Der lange Weg von den Luren, Holztrompeten, Pechhörnern zum Mecklenburger Alphornton
Wenn es auch zeitlich keinen direkten Zusammenhang zwischen den Luren und dem Alphorn geben sollte, so ist zumindest das Klangbild beider Instrumente im Norden durch das Zwischenelement Holztrompete gleich mehrfach präsent:
Dazu einige Beispiele, die erkennen lassen, dass der "Alphornton" auch zum Norden Deutschlands gezählt werden kann:
In Deutschland wurden bisher sechs Luren aus der Bronzezeit, (vor 7 bis 15 ooo Jahren!) gefunden. Fünf Lurenfunde liegen davon allein in Mecklenburg-Vorpommern!
Da die Luren immer paarweise gefunden wurden, die spiegelbildlich gestellt waren, ist die Annahme berechtigt, dass sie den gewundenen Hörnern der Rinder nachempfunden wurden und somit zunächst aus einfachen Naturhörnern gebaut worden sind. Später sind sie in nahhezu perfekter Handwerkskunst in dünnstem Bronzeblech gegossen worden.
In Mecklenburg-Vorpommern wurden auch sehr viele metallene Beschläge aus Bronze gefunden, die z.B. für die Verlängerung, der Klanguntermalung der Luren oder der Holztrompeten dienten.
Annähernd baugleiche Holztrompeten werden heute noch von Hand hergestellt und gespielt, z.B.
Ligawka
eine 1,58 Meter lange Holztrompete im Nordosten Polens (Masuren), hergestellt von Handwerkern und Bauern in Handarbeit und gespielt. Mit dem Grundton G. Als Kind erlebte ich dieses Instrument durch meinen Großvater in Masuren.
Ragas
das litauische 2,04 Meter lange Hirtenhorn aus Holz mit Baumrinde umwickelt und in 5 Teile zerlegbar. Der Grundton ist Des-Moll
Bezugspunkte prähistorischer Naturtöne zum mecklenburgischen Ort Witzin:
- Lurenfund im 3-km entfernten Ort Lübzin
- ältester Holztrompetenfund in Parchim, in der Nähe Witzin
- Auszug aus der Chronik des Ortes Witzin: Mittelalter
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Zum Land Mecklenburg-Vorpommern:
Vor ca. 4000 Jahren: Der Klang der Luren
- im Norden Europas (Dänemark, Baltische Staaten, Irland)
- in Mecklenburg und Norddeutschland
- in Witzin (Aus der Chronik)
- Mecklenburger Lurenfunde in Lübzin, Wismar, Daberkow, usw.
Geschichtlich gesehen, war das heutige Mecklenburg ein Mittelpunkt und Handelskreuz bei der Verbreitung des Alphorns von Nord nach Süd und von Ost nach West!
Der Ursprung und die Herkunft des Alphorns kann nicht eindeutig bestimmt werden, dafür gibt es zu viele "Ursprungsländer".
Prähistorische Stationen des Mecklenburger Alphorns:
1. Die legendäre Lübziner Bronze-Lure
Aus "Luren und irische Hörner", in AiD-Sonderheft, Dr. Joachim Schween mit Unterstützuntg des Landesamtes für Denkmalpfleg in MV, Herr Dr. J.-P. Schmidt
2. Eigener Nachbau eine Lure 2015
aus einem Tenorhorn-Fragment mit erstaunlichem Ton-Erfolg. Obwohl heute niemand den Lurenton nachweisen kann, wie er damals erklang, erfüllt dieser Nachbau alle Erfordernisse zur Klangerzeugung einer Lure.
3. Die Parchimer Holztrompete
Aus "Frühmittelalterliche Archäologie, Diethild Paddenberg", weist Verbindungen auch zu drei weiteren Holz-Rohrblattinstrumenten in Mecklenburg-Vorpommern aus dem späten Mittelalter hin.
Fund aus dem 11. Jahrhundert, Parchim-Löddigsee. Ein Meilenstein, der zur Renaissance des Mecklenburger Alphorns führt!
4. Das prähistorische Auerochsenhorn aus Wismar
Aus Musikarchäologie, Dr. Joachim Schween, Sonderheft 07/2015
In Deutschland wurden nur in Mecklenburg drei dieser Vorläufer der Luren gefunden. Sie wurden in Bochin bei Parchim, in Teterow und in einem Torfmoor bei Wismar geborgen. Sie können als Vorläufer der Luren angesehen werden
5. Das Midwinterhorn aus Holland,
wird nur einmal im Jahr zur Jahreswende über offenem Brunnen geblasen
6. Historisches Pechhorn, 2015 nachgebaut. Diese Konstruktion mit eigen entwickeltem Übergang zum Mundstück, erfolgte in historischer Leistenbauweise. Da es kein Original mehr gibt, wird dieser Nachbau als "Witziner Pechhorn" bezeichnet.
7. Die Masurische Ligawka,
für einen historischen Nachweis 2013 in B-Stimmung nachgebaut. Geblasen vom Musikpädagogen Ricardo Danelzig.
Dieses Instrument wurde 2014 zu einem Alphorn in F umgebaut. Versuchter Nachbau in Leistenbauweise. Das Original bestehend aus Weidenruten, Birkenbast und Bienenwachs.